Interview für das kommunalpolitische Forum

Birgit Keller

WIE BIST DU ZUR KOMMUNALPOLITIK GEKOMMEN?

Ich komme aus einer Familie, in der Politik schon immer eine große Rolle spielte. Deshalb habe ich mich schon früh dafür interessiert, wie politische Entscheidungen getroffen werden. Mein Vater sagte, wenn du möchtest, dass sich etwas ändert, dann darfst du nicht bloß reden, du musst machen. So war der Weg hin zur Kommunalpolitik auch nicht weit.

1989 saß ich als Vertreterin der SED am Runden Tisch in Nordhausen. Damals habe ich die Veränderungen sehr nah und eindringlich erlebt und in diesem Prozess entschieden, auch künftig politische Verantwortung übernehmen zu wollen. Ich gehörte dem Präsidium der Landes-PDS an und war dankbar als ich 1994 von den Menschen in den Kreistag gewählt wurde.

WAR ES EIN SCHWIERIGER EINSTIEG?

Es wäre gelogen wenn ich sage, dass es mir leicht gefallen ist. Ich war Mitte Zwanzig als ich damit begann, mich politisch zu engagieren. Damals hatte ich mein ganzes Leben in einem System verbracht, in dem Meinungsfreiheit nicht Normalität war. Das hat sich geändert. Aber damals wie heute ist es für junge Frauen nicht einfach, sich durchzusetzen. Mein Ansatz für den Einstieg in die Politik war genau das: Frauen sollten den Platz in der Gesellschaft einnehmen, den sie auch verdienen.

IST DAS GELUNGEN?

Ich finde ja. Politische Prozesse mitzugestalten und gute Entscheidungen herbeizuführen hat viel mit Erfahrung zu tun. Man lernt mit immer dazu; dazu gehören Erfolge genauso wie Rückschläge. Dabei braucht es ein gutes Gespür und – was mir wichtig ist – man darf nie aufhören, zuzuhören. Das gelingt längst nicht jeder Politikerin und jedem Politiker.

WAS WAR UND IST DEINE MOTIVATION, DICH KOMMUNALPOLITISCH ZU ENGAGIEREN?

Neben meinen landespolitischen Ämtern bin ich Mitglied im Kreistag und im Stadtrat. Ich will mit meiner Erfahrung dafür sorgen, das Leben der Menschen positiv zu beeinflussen. Das mag etwas pathetisch klingen; aber darum geht es doch in der Politik. In den vergangenen Jahren ist in meinem Heimat-Landkreis Nordhausen viel geschehen. Aber es braucht weitere Anstrengungen, damit Nordthüringen noch lebenswerter wird, sozialer und gerechter auf der Basis einer starken Wirtschaft. Genauso wichtig ist eine weitere touristische Erschließung des Landkreises. Und vor allem, gilt es dabei den ländlichen Raum als Chance zu verstehen.

WAS WAREN DIE GRÖßTEN HERAUSFORDERUNGEN UND ERFOLGE, DIE DU MITERLEBT HAST? WAS HAST DU PERSÖNLICH AUS DEINER KOMMUNALPOLITISCHEN ARBEIT GELERNT?

Es gibt nicht die eine Herausforderung – besondere Situationen erlebt man in der Kommunalpolitik sehr häufig. Wichtig ist, Entscheidungen gut zu begründen und den Menschen zuzuhören. Es gibt nur selten die eine Lösung. Man darf sich nicht verschließen, neue Perspektiven einzunehmen und sich damit in andere Menschen hineinzuversetzen.

WAS WÜRDEST DU DEN MENSCHEN RATEN, DIE VORHABEN, SICH AUCH KOMMUNALPOLITISCH ZU ENGAGIEREN?

Sich nicht abschrecken zu lassen. Nicht von denen, die glauben, alles besser zu machen, weil sie schon länger dabei sind. Oder von denen, die keine Kompromisse zulassen. Die Voraussetzung ist, bei den Menschen zu sein.

WIE LÄSST SICH EIN GENERATIONSWECHSEL EINLEITEN?

Ich wäre mir nicht sicher, ob es einen kompletten Generationenwechsel braucht; denn wir brauchen die Erfahrungen und Meinungen jeder Generation. Fest steht für mich aber, dass wir mehr junge Leute von Politik begeistern müssen. Auch hier ist der Schlüssel Kommunikation. Wenn es nicht gelingt Politik so gestalten, dass sie von allen verstanden wird, dann haben wir es schwer, zu begeistern. Mitbestimmung und Teilhabe beginnt schon ganz früh; von zu Hause über die Schule in die Gesellschaft. Gerade sind wir Thüringer Landtag damit befasst, wie ein Jugendparlament entstehen kann, bei dem Kinder und Jugendliche aus ganz Thüringen verstehen, wie sie sich in Beteiligungsprozesse einbringen können. Das macht schließlich unsere Demokratie aus.